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Judo in Deutschland: Der sanfte Weg mit harter Schule

In deutschen Dojos atmet noch immer der Geist des alten Japan, doch längst hat Judo hier eine ganz eigene Identität entwickelt. Was einst als exotische Kampfkunst in den 1920er Jahren nach Deutschland kam, ist heute fester Bestandteil des Sports – mit olympischem Glanz, sozialer Verantwortung und einer unverwechselbaren deutschen Handschrift.

Die goldene Ära des deutschen Judo begann in den 1960er Jahren, als Athleten wie Klaus Glahn und Wolfgang Hofmann Medaillen bei Weltmeisterschaften erkämpften. Doch der wahre Sieg lag nicht in den Titeln, sondern in der Art, wie Judo die deutsche Sportlandschaft veränderte. In Vereinen von Hamburg bis München wurde “Siegen durch Nachgeben” nicht nur zur Technik, sondern zur Lebensphilosophie. Der legendäre Judoka Alexander von der Groeben brachte es auf den Punkt: “Auf der Matte lernen wir fürs Leben.”

Besonders die Wendezeit zeigte die Kraft dieses Sports. In Ostdeutschland hatte Judo eine starke Tradition, während Westdeutschland auf internationale Erfolge setzte. Die Wiedervereinigung schuf eine neue Dynamik – plötzlich trainierten DDR-Talente wie Udo Quellmalz mit westdeutschen Athleten zusammen. Quellmalz’ Olympiagold 1996 in Atlanta wurde zum Symbol des vereinten deutschen Judo.

Heute spiegelt die deutsche Judoszene die ganze Vielfalt der Gesellschaft wider. In den urbanen Zentren trainieren Kinder aus Migrantenfamilien neben deutschen Nachwuchshoffnungen. Vereine wie der JC Rahlstedt in Hamburg oder der TSV Großhadern in München sind nicht nur Sportstätten, sondern soziale Brennpunkte, wo Respekt und Disziplin vermittelt werden.

Die Herausforderungen der Gegenwart sind vielfältig: Der Kampf um Aufmerksamkeit in einer überfüllten Sportlandschaft, die Balance zwischen Tradition und Modernisierung, die Suche nach dem nächsten großen Talent. Doch wenn man sieht, wie in deutschen Dojos nach wie vor jede Trainingseinheit mit Verbeugung beginnt und endet, wird klar: Der Geist des Judo ist lebendiger denn je – nicht als museale Kunst, sondern als lebendige Philosophie auf der Matte.

Was den deutschen Judo auszeichnet? Vielleicht genau diese Mischung aus japanischem Erbe und deutschem Pragmatismus. Eine Kampfkunst, die Werte vermittelt, Charakter formt – und manchmal eben auch Medaillen gewinnt. Auf diesem Weg wird in Deutschland jeden Tag neu beschritten, ein Wurf nach dem anderen.

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